Was ist " Zucht" ?

Sehr oft rufen Leute bei mir an, weil sie ein Pferd suchen. Die erste Frage meinerseits: „Soll es ein Pferd für den Freizeitbereich oder für den Sport sein? Kann es ein Wallach sein oder doch eine Stute, welches Alter............“ Zur Antwort kommt meist: Freizeitpferd – vielleicht später kleine Turniere, jüngere Stute – aber keine Zuchtstute. Da frage ich, warum eine Stute? Ein gleichwertiger Wallach ist meist um 30% billiger zu bekommen. Es kommt die Antwort, „Nein, den vielleicht wollen sie doch später einmal für sich selber ein Fohlen ziehen.“ Während des Gespräches stellt sich heraus, dass eigentlich eine Zuchtstute zum Preis eines Freizeitpferdes gewünscht wird. Das ist wie ein neues Auto zu kaufen, zum Preis eines gebrauchten!
Die nächste Decksaison steht vor der Tür und man überlegt, ob und mit welchem Hengst man die Stuten decken soll. Diese Entscheidung kann Ihnen niemand abnehmen, aber sie können sich vor der Entscheidung von guten Fachleuten beraten lassen. Je mehr Wissen man über eine Sache hat, um so richtiger wird diese Entscheidung.

Ein ehrlicher Züchter sollte sich mehrere Fragen stellen:
Die erste Frage, die ein Pferdekäufer sich und auch ein ehrlicher Berater stellen sollten: betrifft die Eignung der Stute für die Zucht. Ist sie über dem Durchschnitt der Population oder weist sie gar Mängel in Exterieur oder Interieur auf?“

Ist die Stute ein williges Reitpferd, vielleicht gar mit entsprechender Turnierleistung oder soll mit ihr gezüchtet werden, weil sie als Reitpferd nichts taugt?! Dann darf man sie sich nicht wundern, wenn die Nachzucht auch kein gutes Reitpferd abgeben würde.

Eine Stute, die von der Abstammung her durchgezüchtet und genetisch gefestigt ist, kann dies auch an ihre Fohlen weitergeben. Ein Fohlen wird in erster Linie nach der Abstammung gekauft, denn bei einer guten Abstammung kann man wahrscheinlich ein gutes Reitpferd heranziehen. Bei ungewisser Abstammung wird es wohl ein Zufall.

Die nächste Frage, die man sich in der Zucht stellen sollte ist, welcher Hengst zu meiner Stute passt? Nicht der nächst beste oder billigste Hengst ist der richtige. Welche Schwächen und Stärken hat meine Stute? Der Hengst sollte Schwächen der Stute ausgleichen und man sollte nicht vergessen, dass auch der Hengst Schwächen haben kann. Für die eine Stute kann ein höheres Temperament des Hengstes ein schlechter Faktor sein, jedoch für eine andere Stute kann es gut sein. Gerade in der Anpaarung spielen sehr viele Faktoren mit und man muss auch sehr oft Kompromisse und Risiken eingehen. Renommierte Züchter wissen über die Stärken und Schwächen der verschiedenen Blutlinien Bescheid und reagieren darauf. Es wäre zwar einfach wenn Champion X Champion = Super Champion ergeben würde, aber die Wahrscheinlichkeit ein erstklassiges Pferd zu erhalten ist sehr hoch.
Hat man die Stute trächtig gebracht und seht nach erfolgreicher Geburt ein gesundes Fohlen in der Box, ist die Aufgabe der Zucht noch nicht erfüllt. Die Fohlen sollten bei den Zuchtschauen teilnehmen um vergleichen zu können, wie gut diese Anpaarung war. Schon jetzt kann man sehen, ob dieses Fohlen einmal den Weg in Richtung Zucht gehen kann. Nur im Vergleich mit anderen kann man urteilen, ob man mit dieser Anpaarung zur Verbesserung der Population beigetragen hat oder nicht.
Eine weitere Frage ist: „Habe ich eine Aufzuchtmöglichkeit und kann ich das Zuchtprodukt selbst vermarkten?“ Wenn ich es schon als Fohlen verkaufen möchte und als Züchter nicht bekannt bin, ist es am besten das Fohlen über einen größeren Zuchtbetrieb oder Verein vermarkten zu versuchen. Nach dem Absetzen mit 6 Monaten sollte das junge Pferd in eine Aufzuchtherde mit sozialem Kontakt und viel Auslauf kommen. Natürlich entstehen ab dieser Zeit wieder Kosten, auch wenn man diese Möglichkeiten selbst hat. Man soll daran denken, dass ein 3-jähriges, angerittenes Pferd auch einen anderen Marktpreis erreicht. Jungpferde sollen in der Gruppe aufgezogen werden, denn nur dort lernen sie das richtige Sozialverhalten, welches dem Pferd durch Menschen nicht gelernt werden kann. Sehr wichtig ist auch, dass die Jungtiere viel Bewegung und ausreichend Futter bekommen, damit sie sich gut entwickeln können.

Mit knapp 3 Jahren sollte man mit der Arbeit der Pferde beginnen. Kurzes und regelmäßiges Training hilft den jungen Pferden schnellere Lernfortschritte zu machen. Hier sollte man den Weg und die Kosten nicht scheuen und zu einem professionellen Trainer gehen, denn er weiß aus Erfahrung, wie man ein junges Pferd auf die spätere Arbeit vorbereitet.

Nach all den Fragen wie man in der Zucht vorgehen muss, kommt nämlich auch noch die Frage der Wirtschaftlichkeit hinzu, sofern man es nicht als Hobby betrachtet. Hiebei wird die größte Investition, der Ankauf einer Zuchtstute und der Weg zu einem teureren, qualitativ hochwertigen Hengst leider oft in Frage gestellt. Dazu ein angenommener Kostenvergleich bei einer niedrigen und einer höheren Investition für Stute und Deckhengst.

 

Variante

A

B

Kaufpreis einer Zuchtstute 3jährig

10.000,00 €

5.000,00 €

 

 

 

Anteilige Kosten der Zuchtstute je Fohlen 1/10

1.000,00 €

500,00 €

Decktaxe mit Nebenkosten

1.200,00 €

600,00 €

12 Monate Futterkosten für Stute bis zu Abfohlen je € 100,--

1.200,00 €

1.200,00 €

6 Monate Futterkosten für Stute mit Fohlen je € 120,--

720,00 €

720,00 €

18 Monate Tierarzt für Stute und Fohlen

250,00 €

250,00 €

18 Monate Hufschmied für Stute und Fohlen

180,00 €

180,00 €

Entstehungskosten für das Fohlen

4.550,00 €

3.450,00 €

 

 

 

30 Monate Aufzucht je € 100,--

3.000,00 €

3.000,00 €

Tierarztkosten für Aufzucht

350,00 €

350,00 €

Hufschmied für Aufzucht

240,00 €

240,00 €

Gesamtkosten eines 21/2 jährigen Jungpferdes

8.140,00 €

7.040,00 €

 

 

 

3 Monate Ausbildung inkl. Einstellgeb. bei einem Trainer je € 600,--

1.800,00 €

1.800,00 €

Gesamtkosten eines angerittenen Pferdes

9.940,00 €

8.840,00 €

Bei extrem unterschiedlichen Investitionskosten von 100% ist der Unterschied bei einem angerittenen Pferd nur mehr 12%. Das ergibt sich daraus, dass alle übrigen Kosten gleich hoch sind.

Man sieht, dass sehr viel für einen Züchter zu beachten ist, wenn er den Titel „Züchter“ gerechtfertigt tragen will. Diejenigen, welche sich keine Gedanken darüber machen, sind eher als Vermehrer zu benennen. Den Zucht heißt „selektieren“ um die Population zu verbessern. Keiner wird behaupten, dass er sich nicht ein noch besseres Pferd wünscht. Man sollte immer daran denken ein Pferd zu züchten, welches man selber gerne besitzen möchte und nicht gleich daran denken, dass es verkauft wird und da ist es gut genug. Der Käufer, welcher ein Pferd in einer bestimmten Preisklasse sucht, wird versuchen auf dem Markt das beste Produkt zu bekommen.

Es ist zu hoffen, dass jeder, der an Zucht denkt, sich vorher Gedanken über die angesprochenen Punkte macht. Man sollte sich aber nicht erwarten, dass gleich jede Anpaarung ein Erfolg wird. Bei sorgfältiger Überlegung vor der Entscheidung wird sich der Erfolg in der Zucht auf kurz oder lang einstellen.

Franz Vorraber
Pferdewirtschaftsmeister
Betriebsberatung für Pferdehaltung und Zucht

 

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